Im vergangenen Dezember wollten FDP, GLP, SVP und Die Mitte im Gemeinderat den Steuerfuss leicht senken. Die rot-grüne Mehrheit wollte den Steuerfuss aber nicht senken, mit der Begründung, dass es für die meisten nur ein paar Franken ausmachen würde. Nur scheinbar kann oder will die Mehrheit nicht verstehen, dass sie in der aktuellen wirtschaftlichen Situation damit die Steuerbelastung für alle erhöht haben. Das Zauberwort heisst „kalte Progression“.
Nehmen wir an, Sie leben sparsam und legen jeden Monat etwas auf die Seite. Nach einigen Jahren hat das Sparkonto CHF 100’000. In der vergangenen Tiefzinsphase gab es dort kaum Zinsen, aber auch kaum Teuerung. Nun hatten wir aber im Jahr 2023 rund 2% Teuerung, das heisst, die Konsumgüter wurden durchschnittlich 2% teurer, mit Ihrem Sparkonto von CHF 100’000 könnten Sie 2% weniger kaufen als noch ein Jahr zuvor. Nun zahlen aber die Banken wieder Zinsen auf den Sparkonti. Zurzeit sind diese um 1%, d.h. Sie würden rund CHF 1’000 Zinsen erhalten. Unter dem Strich können Sie sich immer noch weniger von Ihrem Ersparten kaufen als früher, weil die Teuerung eben grösser ist als die Zinsen.
Das ist aber noch nicht alles: Auf die CHF 1’000 Zinsen zahlen Sie Einkommenssteuer. Wenn Sie verheiratet sind, in der Stadt Zürich wohnen und zusammen CHF 65’000 steuerbares Einkommen haben, dann wären das ohne direkte Bundessteuer rund CHF 240[1]. Oder etwas salopp gesagt: Von Ihren CHF 100’000 frisst die Teuerung CHF 2’000 Franken weg, die Bank zahlt Ihnen CHF 1’000 und das städtische Steueramt nimmt Ihnen CHF 240 davon gleich wieder ab. Dies ergäbe dann real ein Minus von CHF 1’240 auf Ihrem Ersparten.
Bis jetzt haben wir aber nur von den Ersparnissen gesprochen. Ihrem Lohn geht es nicht besser. Nehmen wir an, Sie haben wegen der Teuerung vom Arbeitgeber eine Lohnerhöhung von 1.5% erhalten. Nehmen wir an, Sie haben so neu ein steuerbares Einkommen von CHF 65‘975. Wegen der progressiv ausgestalteten Einkommenssteuersätzen zahlen Sie auf jedem Franken zusätzlich immer mehr Steuern, d.h. für die zusätzlichen CHF 975 Einkommen zahlen Sie ohne die direkte Bundessteuer CHF 255 mehr ans Steueramt als mit Ihrem früheren Einkommen[2]. Hier gibt es dasselbe Bild: Die Teuerung ist wahrscheinlich grösser als Ihre Lohnerhöhung und das Steueramt nimmt Ihnen auch noch mehr ab als im Vorjahr, real haben Sie deshalb weniger im Portemonnaie. (2023 war die durchschnittliche Jahresteuerung 2,1%, https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/preise/landesindex-konsumentenpreise.html).
Hier kommt eben die eingangs erwähnte „kalte Progression“ zum Vorschein. Die Schweizerische Steuerkonferenz schreibt dazu Folgendes: „Der Begriff der kalten Progression bezeichnet den Umstand, dass bei progressivem Steuertarif eine steuerpflichtige Person aufgrund ihres gestiegenen Nominaleinkommens mit einem höheren Durchschnittssteuersatz belastet wird, obwohl ihr reales Einkommen nicht entsprechend angestiegen ist. Dies führt zu einer Verminderung der Kaufkraft. Durch den Ausgleich der kalten Progression (u.a. durch Anpassen der Steuertarife) kann diesem Phänomen entgegengewirkt werden.» (Quelle: https://www.estv2.admin.ch/stp/ds/e-kalte-progression-de.pdf, 6.3.2024) Will man, dass die Auswirkungen der Teuerung sich bei der Bevölkerung möglichst gering sind, ist es der richtige Weg, bei aufkommender Teuerung den Steuerfuss zu senken. Die Linke, allen voran die SP spricht zwar andauernd von Kaufkraftverlust, handelt aber verkehrt, mit ihrer Finanzpolitik verschärfen sie gar eher die Teuerung. Die FDP ist eben nicht nur das liberale Original, sondern auch diejenige Partei, welche die wirtschaftlichen Zusammenhänge am besten versteht.
[1] Betrag multipliziert mit dem entsprechenden Steuersatz multipliziert mit der Summe der Steuerfüsse von Stadt und Kanton: CHF 1’000 * 11% * (119%+99%) = CHF 240
[2] Betrag multipliziert mit dem entsprechenden, wegen der Progression nun höherem Steuersatz multipliziert mit der Summe der Steuerfüsse von Stadt und Kanton: CHF 975 * 12% * (119%+99%) = CHF 255